Wer mit Passagieren aufbricht, trägt eine hohe Verantwortung auf den Schultern. Auch in Momenten der Flugangst des Mitfliegenden sollte man beruhigende Worte parat haben. Um die Leidenschaft des Fliegens und die damit verbundene Freiheit erfolgreich zu teilen, gilt es auf ein paar Dinge zu achten.
Check 1: Kein Druck!
Dieser Punkt befindet sich normalerweise auf keiner Checkliste und wird meines Wissens auch in keinem Unfallbericht als Faktor genannt. Trotzdem dürfte jeder von uns dieses unbestimmte Gefühl kennen unter Druck zu stehen, wenn es gilt einen Passagier pünktlich abzuholen oder zu einer bestimmten Zeit wieder “abzuliefern”. Entweder weil der nächste Fluggast bereits ungeduldig am Boden wartet oder weil ein Haussegen droht Schaden zu nehmen, wenn aus einem Rundflug unter Freunden am Ende doch ein spontaner Trip an den Nordseestrand wurde.
Was auch immer passiert, unterwirft Euch als verantwortlicher Pilot keinem selbst- oder fremdproduzierten Druck. Kommuniziert im Vorfeld, daß wir keine Airlines sind und nicht nach festen Flugplänen fliegen können. Es ist von daher immer hinreichend viel Zeit mitbringen – bei weiter entfernten Zielen nach Möglichkeit auch am Folgetag. Auch sollte bekannt sein, wie wetterabhängig wir sind. Bleibt bei ungünstigen Wetterlagen am Boden selbst dann, wenn es sich um einen Sommertag handelt und die Entscheidung nicht zu fliegen für einen Fluggast nicht nachvollziehbar erscheint.
Check 2: Flugplanung
Für längere Strecken selbstverständlich – bei Rundflügen oder dem “mal eben” am Nachbarplatz vorbei schauen fällt eine Flugplanung häufig der vermeintlichen Ortskenntnis zum Opfer. Nur hilft das im Fall der Fälle nicht. Flüge über den lokalen Bereich eines Flugplatzes hinaus gelten als Überlandflüge und sind gem. SERA.2010, Satz b) sowie LuftVO vom verantwortlichen Pilot vorzubereiten. Allein schon unter dem Aspekt der juristischen Eigensicherung solltet Ihr einen Blick in die Wetterentwicklung werfen – selbst bei CAVOK – und Euren Flug zumindest im VFReBULLETIN planen und die relevanten NOTAMs sichten. Das alles nimmt bei ein wenig Routine keine 3 Minuten Zeit in Anspruch und ein Ausdruck wird nicht nur bei der DFS geloggt sondern man hat auch gleich etwas “greifbares” zum Vorzeigen in der Hand. Steht Ihr noch ganz am Anfang Eurer fliegerischen Laufbahn, so sind Flüge mit Passagieren zu bereits bekannten Plätzen die bessere Option.
Check 3: Gewicht & Sprit
Mit mehreren zu reisen – möglicherweise auch noch mit Gepäck bedeutet immer Rechenarbeit denn Gewicht und Sprit müssen kalkuliert werden. Ihr könnt Euch diese Arbeit ein wenig erleichtern, wenn Ihr im Flieger für die typischen Fälle (1 Person + Sprit, 2 Personen + Sprit, 3 Personen etc.) bereits fertig ausgerechnete Sheets erstellt habt und bei Bedarf zücken könnt. Viele Muster können vollbesetzt auch nicht mehr voll betankt werden. Eine Streckenplanung sollte diesem Umstand Rechnung tragen und ausreichend Zwischenstops zum Nachtanken aufweisen. Habt keine Angst bei Überladung einen Flug als Pilot zu verweigern. Es gibt keinen Grund, sich ohne Not – möglicherweise auch noch bei fremden Menschen – einem persönlichen (Haftungs-)Risiko auszusetzen. Denkt nicht an die 99% der Fälle, an den alles gut geht. Plant lieber für das eine Prozent, an dem etwas passiert.
Check 4: Vorflugkontrolle
Ob Ihr die Vorflugkontrolle mit oder ohne Passagier durchführt bleibt Ansichtssache. Es hängt auch ein wenig davon ab, mit wem man fliegt. Einerseits ist so ein gemeinsamer Check für flugbegeisterte Gäste bereits ein Event für sich. Diese freuen sich zum Beispiel einen Rotax selbst bei sommerlichen Temperaturen “kurbeln” zu dürfen, während man entspannt nur noch den Ölmessstab ablesen braucht. Anderseits birgt ein Check mit Passagier auch immer die Gefahr der Ablenkung. Vergessene Sicherungsstifte, Staurohrabdeckungen oder offene Tankdeckel sind die Klassiker.
Prüft in Anwesenheit eines Passagiers daher besonders gründlich. Verlasst Euch ausschliesslich nur auf das, was Ihr seht und kontrolliert habt. Lasst Euch bei Übergabe des Fliegers von Fliegerkollegen nicht erzählen, dass alles in Ordnung sei. Gute Fliegerkollegen lassen Euch in Ruhe gründlich prüfen. Bei Unterbrechung – zum Beispiel weil ein anderer gerade dringend Hilfe beim Rangieren braucht – beginnt die Checkliste erneut von vorne. Bittet zur Not Eure Gäste in Abstand zu warten, bis Ihr mit der Vorflugkontrolle fertig seid.
Check 5: Arbeitsumgebung
Nichts ist für ein einen Passagier schlimmer, als der Anblick eines desolaten, wenig vertrauenswürdigen Fliegers. Außen wie auch Innen. Das können verschlissene Teppiche und Ablagen mit Staub der vergangenen Jahre sein. Das sind aber auch Panels mit frei herabhängenden Instrumenten, Kabeln oder offenen Aussparungen – sprich Löchern.
Im Fuß- oder Stauraum hinter den Sitzen umherfliegende Plastikflaschen, zerknüllte Tank-Quittungen, Werkzeug und Nahrungsmittelreste lassen nicht auf ein sauberes und methodisches “arbeiten” schliessen. Eine Maschine kann noch so gut gewartet und ein Pilot qualifiziert sein: Euer Passagier kann nur anhand des optischen Eindruckes Vertrauen aufbauen. Wer nicht für eine aufgeräumte Arbeitsumgebung in seinem Flightdeck sorgen kann, riskiert durch sein “Herumwuseln” zusätzlich abgelenkt zu sein.
Check 6: Nach der Gesundheit fragen
Fragt Euren Gast vor dem Flug nach seinem Wohlbefindlichen. Das kann ganz beiläufig erfolgen, ohne gleich den Charakter einer Befragung zu haben. So könnt Ihr ein wenig über den allgemeinen gesundheitlichen Zustand erfahren. Als Pilot kann man empfindlichen Menschen sehr viel durch flachere Kurven, sanfte Geschwindigkeitsauf und -abnahmen entgegen kommen. Durch vorheriges Ankündigen der Absichten hilft man ängstlichen Passagieren sehr. Beobachtet während des Fluges Eure Gäste und achtet auf Körpersignale. Auch wenn Euch jemand sagt, daß alles in Ordnung sei, so deutet ein verkrampftes Festhalten doch auf Flugangst hin.
Es versteht sich von selbst, dass entsprechende Utensilien (zu deutsch: Kotztüten) griffbereit in der Türablage des Passagiers aufzubewahren sind. Vergesst nicht, diese vor einem Rundflug zu zeigen – je mehr später in der Tüte landet, desto weniger ist zu reinigen. Bei besonders vorsichtigen Passagieren ist ein Flug eher in den Morgen- oder Abendstunden zu planen als einen Ritt durch die Mittagsthermik zu wagen. Und ganz wichtig: Zum Wohlbefinden zählt auch die Frage, ob Euer Passagier nicht noch lieber schnell vor dem Flug auf Toilette möchte.
Check 7: Wo sitzen?
Häufig möchte man seinem Passagier die Pilotenperspektive bieten. Wer jetzt meint den Sitzplatz mit seinem Pax spontan tauschen zu können, der geht nicht nur ein erhöhtes Risiko durch eine möglicherweise ungewohnte Sitzposition und Perspektive ein, er läuft auch Gefahr seinen Versicherungsschutz zu verlieren. Bisher regelte §2 der LuftVO die weiteren Details wie und wer den Sitz des verantwortlichen Luftfahrzeugführers inne hält. Dieser ist jedoch seit SERA entfallen. Im Zweifel gelten die Angaben aus dem Betriebshandbuch.
Check 8: Das Einsteigen
Verlasst Euch nicht auf Euren Passagier, daß dieser sich anschnallen und die Kabinentür auch richtig verriegeln kann. Bei Rundflügen begleite ich immer den Fluggast zu seinem Platz und prüfe von Außen seinen Anschnallgurt und ob nichts raushängt. Das Poltern und Schlagen einer zwischen der Türe raushängenden Jacke bemerkt man erst bei Startlauf – also dann, wenn es zu spät ist. Zudem wird der Einstieg in ein Flugzeug erst dann einem echten Gentleman gerecht, wenn dem weiblichen Fluggast dabei geholfen werden kann – und sei es nur durch das Halten der Handtasche, Jacke oder des Smartphones.
Erklärt Eurem Passagier, wo er sich festhalten kann. Der Türknauf einer C42 auf Kniehöhe wirkt für Passagiere magisch anziehend. Mit dem Spruch “Alles, was Farbe hat, verkürzt den Flug” beschreibe ich bei ULs den roten Griff des Gesamtrettungssystems. Stellt sicher, daß Ihr bei Kabinen mit eigenen Passagiertüren immer derjenige seid, der diese von Außen richtig verschliesst.
Check 9: Checklisten & Emergency-Briefing
Wie weiter oben erwähnt, ist die Kommunikation die beste Medizin gegen Flugangst. Beschreibt was Ihr macht oder welche Absichten Ihr habt. Geht ruhig gemeinsam eine Checkliste durch – stets die Möglichkeit einer Ablenkung im Hinterkopf bewahrend. Alternativ bittet um ein paar Minuten der Ruhe und Konzentration, wenn es die Situation erforderlich macht.
Ein wichtiger Punkt sollte aber immer gemeinsam besprochen werden, bevor man startet: Das Emergency- oder Notfall-Briefing. Sofern vorhanden beschreibt das Gesamtrettungssystem, nennt Vorteile aber auch Nachteile, dass dieses zum Beispiel in Bodennähe wenig Wirkung hat. Bei einigen Mustern mit einem Rettungssystem zwischen Motor und Cockpit sind beispielsweise die Füße aus dem Fußraum zu nehmen, um Verletzungen durch die Rakete zu vermeiden. Geht gemeinsam auf Ausweichmöglichkeiten und Landefelder ein, wenn beim Startlauf etwas passieren sollte. Denn nur wer mental vorbereitet ist, kann schneller und auch souveräner handeln.
Ein weiterer, wichtiger – leider oft nicht beachteter – Punkt wenn man mit Passagieren unterwegs ist: Stellt vor dem Start sicher, daß Eure Ruderwege frei sind und kein Fuß vom Gast im Pedal steht.
Check 10: Flugdurchführung
Während des Fluges gilt es stets aufmerksam zu bleiben und Luftraumbeobachtung zu betreiben. Einen Gast kann man in diese Aufgabe wunderbar mit einbeziehen. Versucht einen Kompromiss zwischen den anstehenden Aufgaben der Flugdurchführung und einem Smalltalk zu finden.
Eine Geschichte aus meiner eigenen Praxisprüfung: Der angereiste Prüfer und ich haben festgestellt, dass wir beruflich in der gleichen Branche tätig sind. Und so kam man während des Prüfungsfluges von Lützellinden nach Reichelsheim schnell ins Gespräch. Mein Prüfer redete und redete und ich konnte mich erst “befreien” als ich ihm sagte “Du alles später, ich muss mich grad’ konzentrieren.” – genau das wollte er hören.
Solltet Ihr an Eurem Gast Navigation oder andere Aufgaben delegieren, so übernimmt nichts ungeprüft. Ihr seid der allein verantwortliche Luftfahrzeugführer. Ein Crew-Prinzip existiert für uns nicht.
Es versteht sich von selbst, dass Zurückhaltung und Vorsicht die Garanten für einen unbeschwerten Flug mit Passagier sind. Gegen einen Parabelflug sagt niemand was – Kavalierstarts, Steilkurven, Loopings oder andere Show-Einlagen zeugen weder von einem Good Airmanship noch kann man so Menschen vom Luftsport begeistern.
Der Autor
Tomas Jakobs, 41 Jahre jung, ist Unternehmer, begeisterter Sportpilot und Fluglehrer.
Das Thema Sicherheit im Luftsport sowie die fliegerische Weiterbildung im UL Bereich sind seine Interessenschwerpunkte. Auf den Seiten www.ul-fluglehrer.de sowie www.ul-fortbildung.de könnt Ihr mehr von ihm erfahren.
Comment
Der Text gefällt mir wirklich sehr gut, alles Wichtige wurde angesprochen und super erklärt 🙂 Ein paar Anmerkungen werde ich in mein Briefing einbauen.
Liebe Fliegergrüße
Adrian